Allgemein, Gesundheit

Kältebad für Hartgesottene

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Der heurige Herbst gewährte uns eine extra lange Schonfrist für kalte und trübe Tage. Seit heute darf aber wieder hochoffiziell über Kälte, Wind, Regen und Schnee gejammert werden – und ich gehe mit schlechtem Beispiel voran und raunze dem nahenden Winter 2018 ein zähneknirschendes Hallo entgegen!

Aber es weilen auch wahre KälteliebhaberInnen unter uns, die sich regelrecht auf rote Haut und Frösteln freuen. Die die sommerliche Bademontur auspacken, wenn es draußen richtig ungemütlich wird und in eisige Fluten springen. Dr. Doris Eller-Berndl, Allgemeinärztin mit Spezialisierung für Präventivmedizin, ist so eine. Seit Wochen wartet sie darauf, dass die Wassertemperatur der Alten Donau endlich unter 10 Grad fällt, damit sie die heurige Saison des Kältebadens eröffnen kann:

„Kaltes Elektronenbad unter natürlichem Licht – was gibt es Effektiveres!“

Für uns Menschen, die wir in Klimazonen mit stark ausgeprägten Jahreszeiten leben, ist die Kälte in mehrerlei Hinsicht wichtig, sagt sie: Der Temperaturabfall bereitet den Körper auf die Monate mit weniger Licht vor und ist auch wichtiger Rhythmusgeber für Tag und Nacht. Nicht nur Licht-, sondern auch Temperaturreize werden unmittelbar an den Hypothalamus, das Zentrum unseres Gehirns, übermittelt. Dort werden Organe, Stoffwechsel, Wasserhaushalt und Blutdruck gesteuert. Im Winter wirkt die Temperatur als Zeitgeber und verlangsamt die Vorgänge im Körper.

Was hat es mit der Kältetherapie auf sich?

Die Kälte wandelt „böses“, weißes Speicherfett in „gutes“ braunes Fett um. Dieses braune Fettgewebe verbrennt Kalorien durch Wärmeproduktion –  angeheizt durch Kälte. So kann durch regelmäßiges Kältebaden der Körperfettanteil verringert werden.

Dr. Eller-Berndl, ein wahrer Fan der Kältetherapie zählt einen weiteren Vorteil des regelmäßigen bewussten Fröstelns auf:

„Die Kälte zählt zu den hervorragendsten und nebenwirkungsärmsten Therapien, um Entzündungen zu reduzieren.“

Kältetherapie kann bei chronisch entzündlichen Gelenkserkrankungen und Wirbelsäulenerkrankungen Abhilfe schaffen. Sie optimiert aber auch die Hormonproduktion, aktiviert das Immunsystem, verbessert den Schlaf und trainiert das vegetative Nervensystem.

Vorbereitung für das kontrollierte Frieren

Einfach so im Winter ins kalte Nass zu springen ist aber nicht ratsam. Bevor man das Kältebaden in Angriff nimmt, sollte man seinen Omega 3 und Omega 6-Fettsäuren-Spiegel im Blut feststellen lassen. Die meisten Menschen nehmen zu viel Omega 6-Fettsäuren zu sich (in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten) und sollten bewusst darauf achten, ihren Omega 3-Fettsäurengehalt durch marine, also aus dem Meer stammende Lebensmittel, zu erhöhen. Denn erst dann sind die Zellmembrane flexibel genug, um in der Kälte funktionieren zu können. Jenen Menschen, die unter niedrigen Temperaturen besonders leiden, rät Dr. Eller-Berndl Folgendes abklären zu lassen:

„Wenn Sie trotzdem allzu leicht frösteln, kann dies noch zwei Ursachen haben: Eine latente Unterfunktion der Schilddrüse oder eine Östrogendominanz.“

Wer sich langsam an das Kältebaden herantasten möchte, dem sei empfohlen, die tägliche Warmdusche mit einer Phase Kaltdusche abzuschließen. Der nächste Schritt erfordert nun schon gehörige Überwindung: Sich in eine Badewanne mit 10 Grad kaltem Wasser zu legen oder gleich in kalte Naturgewässer zu steigen. Dafür heißt es Neoprenschuhe oder –socken und Neoprenhandschuhe überstreifen. Hände und Füße mögen es wirklich nicht gerne kalt und sollen nicht leiden müssen. Laut Dr. Eller-Berndl geht es vorrangig darum, den Rumpfbereich und damit die Organe runterzukühlen.

Kontrolliert an die eigenen Kältegrenzen gehen

Die Sitzungen sollten zu Beginn noch kürzer gehalten werden und können langsam auf 20-30 Minuten gesteigert werden. Bewegung im kalten Nass ist beim Kältebaden nicht ratsam, für das Herz-Kreislaufsystem wäre das schlicht zu viel der Anstrengung. Im Wasser liegen oder stehen reicht also völlig. Denn auch ohne bewusste Bewegung beginnen die Muskeln irgendwann zu zittern, der Körper versucht nun Wärme zu erzeugen. Er verbrennt Glykogen, ähnlich wie beim Sport:

„Kälte ist wie Sport für jeden Muskel, auch für den Herzmuskel, nur ohne Ausschüttung von freien Radikalen!“

So unterstützt Kälte dabei, Muskelmasse aufzubauen und Körperfett zu verlieren. Die Haut wird straffer und glatter und sogar die von Frauen verhassten Bindegewebsdellen an Hintern und Beinen (Cellulitis) verringern sich oder verschwinden überhaupt gänzlich.

Wird man im kalten Wasser zunehmend müde, so ist das eine normale Reaktion. Tritt allerdings ein Schwindelgefühl ein, dann sollte die Kältetherapie sofort beendet werden. Wann definitv genug gefroren wurde? Das ist individuell verschieden, sagt Dr. Eller-Berndl:

„Bei 4 Grad habe ich persönlich eine Verweildauer von 3-8 Minuten, bei 10 Grad 20-30 Minuten.“

Ansonsten gilt als Richtwert für das Ende einer Sitzung: Wird die untergetauchte Haut kirschrot, dann heißt es raus aus dem Wasser. Den Körper anschließend mit einem Handtuch abtupfen, nicht aber abrubbeln. Danach in warme und lockere Bekleidung schlüpfen.

Sporteinheiten sollten übrigens vor einem Kältebad und nicht danach angesetzt werden. Darüberhinaus ist es nicht ratsam, nach einer Kältesitzung warm zu duschen. Selbst wenn der Körper 30 Minuten nach dem Bad immer noch zittern sollte. Die Anpassungsphase, also bis genug braunes Fettgewebe gebildet wurde, dauert zwischen 3-6 Wochen, danach nimmt auch das Zittern ab.

„Gehen Sie hinein, stehen Sie drinnen und genießen Sie die Umgebung!“

Was das für mich als Kältehasserin heißt? Fünf Schichten Zwiebellook Lage für Lage ablegen, Zähne zusammenbeißen und rein ins kalte Nass! Theoretisch.